Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 - 1914)

 

 

 Herbstgedichte von Christian Morgenstern


Novembertag


Nebel hängt wie Rauch ums Haus,
drängt die Welt nach innen;
ohne Not geht niemand aus;
alles fällt in  Sinnen.
Leiser wird die Hand,  der Mund,
stiller die Gebärde.  
Heimlich, wie auf Meeresgrund,
träumen Mensch und Erde. 

Oktobersturm

 

Schwankende Bäume
im Abendrot  -
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod  -
    
Blättergeplauder  -
wirbelnder Hauf  -
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.  


Septembertag

    

Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit, 
die dich befreit,  zugleich sie dich bedrängt;  
wenn das kristallene Gewand der Wahrheit 
sein kühler Geist um Wald und Berge  hängt.
    
Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit.



Weitere Gedichte von Christian Morgenstern

Nachts im Wald

Bist du nie des nachts durch Wald gegangen,
wo du deinen eignen Fuss nicht sahst?
Doch ein Wissen überwand dein Bangen:
Dich führt der Weg.

Hält dich Leid und Trübsal nie umfangen,
dass du zitterst, welchem Ziel du nahst?
Doch ein Wissen übermannt dein Bangen:
Dich führt dein Weg.


O NACHT ...

O Nacht, du Sternenbronnen,
ich bade Leib und Geist
in deinen tausend Sonnen-

O Nacht, die mich umfleußt
mit Offenbarungswonnen,
ergib mir, was du weißt!

O Nacht, du tiefer Bronnen ...




Zeit und Ewigkeit

Auf den Schwingen des Windes
die Stimme des Bachs..
Der Wellen Gespräch
auf dem Atem der Nacht..

Mein kleiner Wecker tickt dazu..

O Zeit und Ewigkeit!



Der Giebel

Dunstgewölk verhängt die Sterne,
Dämmer deckt die Erde ganz.
Nur ein Giebel in der Ferne
träumt in geisterhaftem Glanz


wie ein Haupt, das seinem Hirne
keinen Schlaf zu gönnen scheint
und auf seiner bleichen Stirne
alles Licht der Nacht vereint